Ankommen
Ich war bereits zweimal in Japan, jeweils für eine längere Zeit, aber ich war vorher noch nie dort, um bewusst an meiner Kunst zu arbeiten, mir dafür eine längere Zeit zu geben.
Schon bei meinem ersten Trip habe ich Luis Mendo kennengelernt. Er ist ein fantastischer Illustrator und lebt mit seiner Frau in Tokyo. Ich habe über Social Media mitverfolgt, wie die beiden 2018 ihre Micro-Residency in einem alten Haus im Viertel Kurame aufgemacht haben. Seitdem ließ mich der Gedanke nicht los, dort auch zu wohnen und zu arbeiten.
Im November 2022 war es nach einigen Verzögerungen durch Corona endlich soweit: Ich konnte endlich meine Artist Residency bei „Almost Perfect Tokyo“ antreten.
Gleich am ersten Tag wurde auch der erste Teil eines Podcasts aufgenommen, den Yuka und Luis mit all Ihren Künstlern aufzeichnen. Trotz Jetlag war das ein toller Einstieg und eine schöne Begrüßung in Tokyo. Ich erzählte von meinem Plan, dass ich an meinem Farbkonzept arbeiten wollte, aber wie so oft, Tokyo hatte eine andere Meinung und es kam alles ganz anders.
den roten faden finden

Seit meinem ersten Besuch haben mich die Stromleitungen von Tokyo fasziniert und ich beschloß schnell sie zum zentralen Thema meiner Arbeit zu machen. Nun konnte ich endlich meiner Faszination in meiner Arbeit Ausdruck geben.
Durch die ständige Gefahr von Erdbeben werden elektrische Leitungen nicht unterirdisch verlegt, sondern entlang der Straßen in dichten Bündeln geführt. Jeder neue Internetanschluss bringt ein weiteres Kabel dazu. Wenn man näher hinschaut, sieht man, das alles mit kunstvoller Ordnung verwoben ist. Sie wirken sogar organisch. fast wie autarke Ökosysteme, die sich ausbreiten und selbst weiterspinnen, oder die auch eine eigene Sprache besitzen könnten.
Auf diesem Konzept einer abstrakten Sprache basierend, ist ein Set aus Linoldrucken entstanden. Ich konnte sie in bei Tomigaya Letterpress im Stadtteil Yoyogi an einer alten Proofpresse drucken. Die Betreiber sind unglaublich freundlich und hilfsbereit. Nach einer Einweisung in die Maschinen konnte ich den ganzen Tag dort frei arbeiten. Das Projekt: eine Edition ohne Wiederholung.
Die Farben Tokyos – ein persönlicher Code
Die Farbpalette, die ich wählte, war nicht zufällig. Sie basiert auf unzähligen Beobachtungen aus dem Stadtraum, in dem ich mich bewegte.
- Ein gebrochenes Gelb – wie die Linienmarkierungen in den U-Bahnen.
- Ein kaltes Rot – das in Warnschildern, Hinweistafeln oder Verkehrsspiegeln immer wieder auftaucht.
- Ein klares Blaugrün – die Farbe, in der alle Metallbrückenpfeiler gestrichen zu sein scheinen.
Diese Beobachtungen haben sich für mich zu einer Art innerem Farbgedächtnis Tokyos verdichtet. Ich empfinde sie als atmosphärische Essenz der Stadt – nicht laut, aber präsent. Nicht ikonisch, sondern beiläufig. Und vielleicht gerade deshalb so charakteristisch.




Zeichnungen wie Schriftzeichen
Parallel entstanden zahlreiche Tuschezeichnungen, in denen ich die Strommasten Tokyos wie Kalligrafien interpretierte. Die filigranen Linienstrukturen wurden zu Schriftzeichen, jedes für sich ein Fragment dieser urbanen Sprache.
Obwohl ich mir vorgenommen hatte, nur analog zu arbeiten, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen: Ich scannte die Zeichnungen ein, schichtete sie digital übereinander – und gab ihnen so ihre urbane Dichte zurück.
Daraus entstanden drei Fineartprints in kleiner Auflage.
Abschluss & Ausstellung
Zum Ende der Residency zeigte ich meine Arbeiten in einer fünftägigen Ausstellung im hauseigenen Galerieraum.
Unter dem Titel „Do you read me?“ präsentierte ich nicht nur die gerahmten Hauptarbeiten, sondern verwandelte den Raum mit einer Installation aus gespannten Leinenin meine eigene Straßenszene mit Stromleitungen. Daran befestigte ich Skizzen, Fragmente, Notizen – kleine Einblicke in meinen Prozess, zugänglich zum Blättern und Entdecken.
Zur Vernissage fand ein offenes Künstlergespräch mit Luis Mendo statt, dass den Besuchern einen Einblick in meine Arbeitsweise gab und mich allen vorstellte.
Den Abschluß meiner Zeit bei Almost Perfect bildete der zweite Teil des Podcasts, denn nachdem man im ersten Teil von seinen Plänen erzählt hat, spricht am Ende darüber, was wirklich passiert ist. Yuka und Luis wissen eben auch; Tokyo hat meist einen eigenen Plan.




Aus allem, was ich im November 2022 in Tokyo erlebt habe, ist ein Magazin entstanden.
Es heisst „Still on Tokyo time“.




Tokyo Podcast Interview
Während meines Aufenthaltes bei Almost Perfect Tokyo haben meine Gastgeber Luis und Yuka Mendo mich für Ihren Podcast interviewt. Wir sprachen über meine Pläne, Pizza und Espresso Tonic, haben viel gelacht und ein kleines Museum geplant. Die Folge ist Teil der Serie aller Residency Gäste und bei Apple, Spotify und Amazon Audible zu finden. Viel Spaß beim Anhören.