Im Februar 2025 war ich Artist in Residence in Kyoto (hier ist der Beitrag dazu).
Aber ich kann nicht nach Japan kommen, ohne Zeit in Tokyo zu verbringen. Also reiste ich früher an und verbrachte intensive 8 Tage in meiner absoluten Lieblingsstadt.
Durch die Stadt treiben
Tokyo bedeutet für mich: den ganzen Tag durch die Stadt laufen.
Der Illustrator Luis Mendo hat mir mal gesagt, man solle sich in Tokyo immer nur eine Sache pro Tag vornehmen und dann mit offenen Augen losziehen. Er hat recht. Überall warten Entdeckungen: Unerwartetes, Spannendes, Fremdes, Aufregendes.
Einer meiner liebsten Anlaufpunkte sind Tokyos fantastische Coffee Shops. Rundherum erkunde ich dann immer die Gegend nach weiteren interessanten Dingen. Alte Häuser, kleine Restaurants oder obskure Werkstätten ziehen mich immer magisch an.
Aber vorher natürlich: ein Konbini-Stop. Das sind Convenience-Stores, in denen man praktisch alles bekommt und alles erledigen kann, was man im Alltag braucht. Ich kaufe nur Onigiri und Wasser. Meist gehe ich zu FamilyMart, manchmal auch bei 7-Eleven. Schnell mit Suica bezahlt, und ich bin wieder unterwegs.
Moment. Nicht so schnell.
In Japan funktionieren Dinge anders
Es ist hier nicht gerne gesehen, im Gehen zu essen oder gar in der Bahn, wie es bei uns durchaus üblich ist. Das wäre unhöflich. Und wenn man kleckert, versaut man anderen den Tag gleich mit. Man bleibt also in der Nähe des Kauforts, um niemandem mit Krümeln oder Kleckereien zur Last zu fallen. Ich finde es wichtig, die Gewohnheiten und Umgangsformen anderer Länder zu erleben, man reflektiert damit die eigenen Muster, und meistens lernt man noch etwas dazu.
Noch etwas: öffentliche Mülleimer sind selten. Die meisten tragen einen kleinen Müllbeutel bei sich und trennen den Abfall später zuhause, strikt nach Recycling-Kategorien. Ich gewöhne mich immer schnell daran, und vermisse diese Rücksicht jedes Mal, wenn ich wieder zuhause bin.
Lieblingsviertel
Egal wohin man will – oft gehört eine halbstündige Bahnfahrt dazu. Und von da aus hat man immer noch genug Strecke, die man zu Fuß geht.
Ich liebe die Yanesen-Gegend (Yanaka, Nezu und Sendagi). Aber auch Nakameguro, Daikanyama, Yoyogi – und natürlich mein Viertel: Kuramae.
Hier finde ich ein anderes Tokyo als das, was die meisten aus Filmen kennen. Die Viertel, an denen mir liegt, sind geprägt von kleinen Straßen, alten Strukturen, gewachsen, mit Geschichte. Ich finde es faszinierend, dass zwischen all den modernen Häusern und Wohnblöcken auch immer noch alte Holzhäuser stehen. Die sind mitnichten leer. Sie werden oft noch von ihren sehr alten Besitzern bewohnt. Oder sie werden von jungen Leuten für ihre Bedürfnisse umgebaut.
Natürlich ist auch das alles ständig im Wandel, aber genau das macht es spannend: Ist mein Lieblings-Coffee Shop vom letzten Mal noch da?
Wenn ein altes kleines Haus verschwindet, folgt oft erstmal: ein Parkplatz. Parkraum ist rar, am Straßenrand darf man sein Auto nicht abstellen (!), sondern nur auf offiziellen Parkplätzen.
Nicht nur die alten Viertel, auch die touristischen Gegenden finde ich Reizvoll. Ich habe kein Problem damit, als Touristin gesehen zu werden. Denn ich bin ja zu fremd, staunend und ein Gast. Ich finde, darauf kann man sich ruhig auch einlassen und auch hier mitschwimmen.
Pause machen
Tokyo ist eine kontinuierliche Reizüberflutung. Mein Kopf ist ständig beschäftigt damit zu verarbeiten, was ich hier sehe und erlebe. Und nichts ist selbstverständlich, denn alles muss übersetzt werden. Bei weitem nicht alles hat immer englische Texte für uns Ausländer als Erklärung. Mein Telefon ist immer in Griffweite, um mich per visuellem Übersetzer zu vergewissern, dass ich nicht die falsche Packung greife, nicht den falschen Weg nehme.
Ich plane meine Zeit deswegen wenn möglich immer etwas großzügiger ein. Ich brauche einfach auch immer wieder Pausen, einfach nur zum sitzen, schauen und verarbeiten. Mein Kopf kommt dann langsam hinterher mit seinen visuellen Notizen und Eindrücken.
Bei meiner ersten Residency in Tokyo bei Almost Perfect habe ich auch gerne einfach eine ganze Weile auf der Bank vor dem Haus gesessen und dem Leben auf der Straße zugeschaut. Kuramae ist in seinen Seitenstraßen wie eine eng gebaute Kleinstadt und kann sehr beschaulich sein. Mit einem Tee oder Kaffee in der Hand kann das sehr entspannend sein.
Abtauchen
Ein warmes Bad hilft auch, um herunterzufahren. Während meiner Zeit in Kyoto gehörte es zu meinem Abendritual ins örtliche Sento, das Badehaus zu gehen. Das sind keine Onsen-Bäder, sie haben kein heisses Quellwasser, sondern sie arbeiten mit normalem Leitungswasser. Bei uns gibt es Badehäuser nicht mehr, aber in Japan existieren sie noch, sie sind Teil der Gemeinschaftskultur. Dort wird zwar nach Geschlechtern getrennt gebadet, aber ansonsten ist dort alles sehr offen. Erst wäscht man sich gründlichst, dann geht man sauber in den heissen Pool, in den alle gehen. Für uns teilweise ungewöhnlich heiss. In einem Sento habe ich auch ein Becken entdeckt, durch das Strom geleitet wurde. Ich habe allerdings nicht ausprobiert, wie es auf mich wirkt.
Danach ist es üblich, kalte Milch oder kaltes Bier zu trinken.
Ich habe meine Besuche im Badehaus immer sehr genossen und mich danach ruhig und flauschig gefühlt, bereit für die Nacht und den nächsten Tag
Interview mit Tokyotheque
Jemand, der meine Faszination für Tokyo teilt, ist AJ, der Autor des Blogs Tokyotheque. Ich folge ihm schon länger begeistert, auch auf Instagram, wo er mit tollen Fotos durch die Stadt streift.
Als er auf Insta sah, dass ich wieder nach Japan reise, fragte er mich, ob er einen Einschub über meine Arbeit mit Tokyos Stromleitungen machen dürfe. Natürlich – sehr gern!
Wir verabredeten uns zu einem Video-Call. Aus dem geplanten Interview wurde ein über einstündiges Gespräch. Ich habe es sehr genossen.
Ich erzählte auch von meinen vorbereitenden Einkäufen an Malmaterial, wozu ich wie ferngesteuert einen bestimmten Laden ansteuere. AJ wusste sofort, was ich meinte, als ich von meiner Liebe für Sekkaido erzählte – dem mehrstöckigen Künstlerbedarfsladen in Tokyo (Adresse hier). Auch er hat da schon eine Menge Geld gelassen.
Am Ende beschloss AJ, nicht nur einen Einschub zu schreiben, sondern den gesamten Beitrag mir und meiner Reise zu widmen. Hier ist der Link zu seinem Text.
Ich hoffe, wirklich, dass wir uns irgendwann mal in Tokyo treffen. Irgendwo, wo wir beide noch nie waren, in einem der vielen phänomenalen Coffee Shops der Stadt.
Fundstücke aus Tokyo
Tokyos Retro-vibes
Nützliches für unterwegs
Genauer hinsehen
Wie machen es die anderen?
Im Zweifelsfall hilft einem das immer weiter, wenn man sich unsicher ist.
Für deine Tasche
Du wirst einen Beutel brauchen, um deinen Tagesmüll unterzubringen.
Frag den Computer
Hinweisschilder, Menüs, aber auch Gespräche sind mit Tools wie Google-Translate viel einfacher zu bewältigen geworden.

