In den Zwischenräumen

Arbeitstisch mit Farben

Licht und Laub – so der vorläufige Titel einer neuen Serie, an der ich aktuell arbeite. Die Arbeiten entstehen nicht aus festgelegten Motiven, sondern aus der malerischen Auseinandersetzung selbst. Bildräume entwickeln sich Schicht für Schicht; Material wird überlagert, reduziert, herausgeschliffen. Dieses Vorgehen ist eine bewusste Einlassung auf einen offenen Prozess, in dem Wahrnehmung, Oberfläche und Komposition immer wieder neu verhandelt werden.

Ausgangspunkt ist das Licht – nicht als Symbol, sondern als bildnerische Kraft. Mich interessiert, wie Licht durch Zwischenräume fällt, wie es Konturen auflöst und Oberflächen zum Vibrieren bringt. In dieser Serie wirkt es nicht als bloßer Akzent, sondern als dynamisches Element: Es hebt Grenzen auf, erzeugt Zwischenzonen, verändert die Lesbarkeit des Bildraums. Gegenständliches ist dabei nicht ausgeschlossen, aber es verliert seine Dominanz.

Einflüsse aus Kyoto

Diese Form der malerischen Annäherung steht in direktem Zusammenhang mit meinem letzten Aufenthalt in Japan. Während meiner Zeit als Winter Resident im Projekt Bridge to Kyoto hat sich mein Blick auf Materialität und Wahrnehmung nachhaltig verändert. Eindrücke aus dieser Zeit – flüchtig, taktil, aber auch intensiv – haben meine künstlerische Praxis in eine neue Richtung gelenkt. Urbane Strukturen, visuelle Artefakte und Oberflächen gehören weiterhin zu meinem Vokabular, doch sie ordnen sich anders ein. Die Umgebung wird nicht mehr abgebildet, sondern tritt als räumliche Spannung, als Störung oder als Grundrhythmus in Erscheinung.
Hier kannst du mehr über meine Zeit in Kyoto lesen.

Licht und Objekt als gestalterischer Raum

Die aktuelle Serie greift Erfahrungen auf, die ich hier erstmals reflektiert habe – und führt sie weiter. Ging es in früheren Arbeiten stärker um erinnerte Motive und formale Setzungen, steht nun das Prozesshafte im Zentrum. Mich interessiert das, was entsteht, ohne vollständig fassbar zu werden: Bilder, die sich zeigen und zugleich entziehen.

Dabei spielt auch Distanz eine Rolle – nicht als Abgrenzung, sondern als produktives Moment. Ich untersuche, wie etwas gleichzeitig nah und unerreichbar erscheinen kann. Wie Bedeutung nicht im Objekt liegt, sondern in den Zwischenräumen: im Licht, in der Stille, in den Verschiebungen der Oberfläche. Diese Leere ist kein Mangel, sondern ein Möglichkeitsraum.

Die Serie im Prozess

Die Serie Licht und Laub ist im Moment im Entstehen. Was sich zeigt, ist ein Prozess der Reduktion und Durchlässigkeit – malerisch, formal, inhaltlich. Ich teile erste Arbeiten bewusst in einem frühen Stadium, weil mich genau diese Übergänge interessieren: zwischen Licht und Material, zwischen Sehen und Empfinden, zwischen Bildidee und Auflösung.

Ich nehme immer wieder Abstand zu meinem Arbeitsprozess um mein Gefühl zur entstandenen Arbeit zu überprüfen.

Arbeitsstand der Gemäldeserie

Ateliernotiz

Frühere Arbeiten waren häufig durch eine klare, kraftvolle Strichführung geprägt – Linien, die Raum behaupten. In der aktuellen Serie verändert sich diese Haltung. Die Gesten werden weicher, tastender, die Bildsprache offenbart eine stärkere Bereitschaft, sich auf Prozesshaftigkeit und Instabilität einzulassen.

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