Arbeit mit Vorgeschichte

Über Patina, Prozess und Intuition

Detail aus Licht und Laub

Wie alles beginnt

Meine Arbeit läuft nie geradlinig auf ein geplantes Ziel hinaus. Das ist manchmal schwer auszuhalten – aber für mich ein fruchtbarer Weg zu arbeiten. Hier nehme ich euch mit auf den Entstehungsprozess einer meiner Arbeiten.

Vom Entwurf zum Neustart

Die meisten meiner Bilder sind vielschichtig – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich beginne mit einer Komposition, lege erste Flächen an – doch oft merke ich früh, dass es auf der Leinwand nicht stimmig wirkt. Manchmal passiert mir das auch erst später im Arbeitsprozess.

An dem Punkt ärgert es mich manchmal, weil ich dann schon so viel Zeit mit dem Bild verbracht habe. Dann kommt der Moment, an dem ich noch einmal um das Motiv kämpfe – aber im Grunde schon weiß, was als Nächstes kommt: Schleifpapier und eine neue Grundierung.

Echos bleiben

Dieser Neustart ist nicht dasselbe wie bei einer frischen Leinwand. Auch wenn ich die Oberfläche abschleife, bleibt immer Textur zurück. Ich grundiere auch nicht immer sauber – weil ich mich von bestimmten Bildteilen einfach nicht trennen will.

Diese Überbleibsel scheinen weiterhin als Artefakte durch. Und manchmal lenkt ihre verbliebene Textur meine Entscheidungen in der Strichführung, beeinflusst meine Art der Flächengestaltung.

Diese Art des Arbeitens reflektiert nicht nur meinen künstlerischen Ansatz, sondern auch meinen persönlichen Geschmack.
Ich habe in meinem Leben gerne Objekte mit einer Vorgeschichte um mich. Mein Studiosofa ist ein Vintage-Stück, dessen Leder über die Jahrzehnte sowohl Glanz als auch Kratzer abbekommen hat. Ein alter Werkstattschrank aus Metall zeigt stolz seine rostigen Ecken und Kanten, während er meine Kaffeemaschine beherbergt. Und mein phantastischer Planschrank aus einer alten Druckerei enthält nicht nur meine Papierarbeiten, sondern auch eine komplett eigene Geschichte – in seinen vielen Fächern mit ihren kleinen Metallschildern.

Diese Gebrauchsspuren sind immer vielschichtig – und für mich ein Qualitätsmerkmal. Ich sehe eine Bereicherung in Objekten, die Patina mitbringen. Das überträgt sich auch auf die Art, wie meine Bilder entstehen.

„Patina ist für mich kein Makel, sondern ein Qualitäts-merkmal.“

Brüche bringen Tiefe

Inzwischen vertraue ich dem Prozess. Auch wenn einzelne Arbeitsschritte für sich genommen unrund wirken – über die Zeit stellt sich immer eine Ordnung her, die das Bild stimmig macht.

Es braucht dann eben nur noch eine weitere Schicht, ein paar klug gesetzte Linien oder einen Kontrast. Lasuren und schraffierte Partien lassen einen Blick zurück in die Vorgeschichte zu. Zusammen mit den Hauptmotivteilen formen sie etwas Neues.

digitale Studie, Sonnenhut
Digitale Projektstudie, Sonnenhut schwarzweiss
Eukalyptus, Leinwand steht auf einer Staffelei
Endzustand des finalen Motives

Licht und Laub

Auf einer größeren Leinwand sollte ursprünglich ein großer Sonnenhut entstehen.
Reduziert. Hauptsächlich in Schwarzweiß und mit stark strukturierten Flächen, deren Farbe, mit Sand versetzt, für zusätzliche Haptik sorgen sollte. Ich hatte verschiedene digitale Vorarbeiten gemacht, aber die Umsetzung auf der großen Leinwand funktionierte für mich überhaupt nicht mehr (ich habe sie nicht einmal dokumentiert).

Ich hielt eine Weile daran fest, versuchte, mit Seidenpapier Abstufungen herzustellen.
Irgendwann gab ich das Motiv doch auf und übermalte es mit abgetöntem Grün, setzte einen hellen Bereich in der Mitte – als Grundlage für ein neues Motiv. Die gesetzten Flächen waren noch unschlüssig, und ich fand keinen Ansatz für eine neue Hauptkomposition.

Mehr aus Intuition als mit Plan entstanden ein paar kaltgrüne, dunkle Partien. Vor meinem geistigen Auge tauchten plötzlich Eukalyptuszweige auf – und ab diesem Impuls entwickelte sich das Bild ziemlich zügig.

Einige dunkle Blätter waren gezielt platziert, aber die Unschärfen, Überlagerungen und Lichtpunkte entstanden intuitiv. Die Texturen und Flächen der unterliegenden Schichten haben die notwendigen Formen der Oberfläche mitbestimmt, mitgelenkt. Ohne diese Schichten hätten die Schraffuren auf der Oberfläche nicht ihre besondere Qualität.

Ich denke, mein letzter Aufenthalt in Kyoto im Winter hat meine Wahrnehmung hierfür besonders geschärft. Meine Arbeit dort kreiste um Haptik und das Gefühl für meine Umgebung – und ihre Interpretation auf Leinwand und Papier.
👉 Hier könnt ihr mehr über meine Kyoto Residency lesen

Wie es weitergeht

Dieses Bild ist jetzt fertig. Es bekommt noch einen seidenmatten Firnis und eine Signatur auf der Rückseite.
Ich weiß, dass ich weiter mit der Thematik von Blättern, Licht und atmosphärischer Unschärfe arbeiten möchte. Ich bin gespannt, was sich mit diesem Arbeitsprozess noch entwickeln lässt. Es fühlt sich auf alle Fälle danach an.

Blumen-Miniatur-Gemälde vor neutralem Hintergrund

Anders, aber doch verwandt

Der Entstehungsprozess war hier anders und auch die Stimmung ist hier dramatischer, leuchtender. Aber diese Ausgabe meiner Floral Minis ist doch eindeutig verbunden.

Schau es dir hier in meinem Shop mal genauer an.

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